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Die Cooperei - Geschäften auf Kosten von Ehre & Zulieferern

Aktualisiert: 8. Feb. 2021


Könnte der Begriff "Cooperei" dereinst als synonym für üble Machenschaften stehen? (Bildmontage Master of Olive Oil)
Könnte der Begriff "Cooperei" dereinst als Synonym für üble Machenschaften stehen? (Bildmontage Master of Olive Oil)

Die SonntagsZeitung titelte am 30. Januar 2021 "Lieferanten unter Druck - Wettbewerbsbehörde leitet Verfahren gegen Coop ein". Schweizer Lieferanten müssten beim Grossverteiler neue hohe Gebühren bezahlen. Die Weko würde nun abklären, ob Coop ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche, so das Tamedia-Blatt.[1]


Was war passiert?

Coop lässt ihre Lieferanten seit Januar 2021 unter anderem über den Ausserschwyzer Zahlungsabwickler Markant [2] bezahlen. Das führt für die Lieferanten zu Mehrkosten, weil Markant für den Zahlungsservice und die Bürgschaft Coops schliesslich etwas verrechnet. Nur, dieser Service bringt den Lieferanten in aller Regel nicht viel. Eine etwaige Verkürzung des Zahlungsziels, was grundsätzlich für jeden Lieferanten wünschenswert ist und zur Liquiditätssicherung beiträgt, kostet nämlich im Verhältnis zum Rechnungsvolumen recht viel. Je kürzer das Zahlungsziel, desto höher die dafür fällige Gebühr. So gehen gemäss einem Artikel, der am 24. Mai 2020 ebenfalls in der SonntagsZeitung erschienen ist, zwei Prozent des Rechnungsbetrages oder sogar noch mehr an den Zahlungsabwickler Markant.[3] Vor allem für die kleineren Lieferanten, die in der Regel kaum grosse Gewinnmargen und im Vergleich zu international tätigen Anbietern auch selten riesige Absatzmengen zu verzeichnen haben, ist das viel. Nichts weiter als die Rentabilität ihrer Betriebe steht auf dem Spiel.


Das Stossende an der neuen Direktive Coops ist aber vor allem auch, dass Coop selbst an den beim Lieferanten durch den Zahlungsabwickler Markant erhobenen Gebühren auf unverschämte Art und Weise mitverdient. Markant liefert nämlich einen Teil der eingetriebenen Gebühren - stets mit gebeugtem Knie - an die Basler Thiersteinerallee ab.


Erzwungene Freiwilligkeit

«Wer sich weigert, einen Vertrag über ein neues Abrechnungsmodell zu unterzeichnen, muss mit Konsequenzen rechnen», sagt Anastasia Li Treyer, Geschäftsführerin vom Produzentenverband Promarca gegenüber der SonntagsZeitung. Coop habe Produkte von einzelnen Unternehmen, die sich weigerten, den Forderungen des Detailhandelsriesen nachzukommen, unter fadenscheinigen Gründen aus dem Sortiment gekippt. Coop ihrerseits gibt den von der Streichung von Produkten betroffenen Lieferanten gegenüber an, dass keinerlei Auslistungen im Zusammenhang mit Markant vorgenommen wurden, sondern diese auf übliche Wechsel im Sortiment zurückzuführen seien.


Gemäss SonntagsZeitung stand die Genossenschaft Coop bei der Wettbewerbskommission (WEKO) im Zusammenhang mit "Markant" bereits unter Beobachtung. Die Basler Detailhändlerin habe dabei der Behörde zugesichert, ihren Lieferanten die Wahlfreiheit zwischen dem Abrechnungssystem Markant und der herkömmlichen direkten Abrechnung zu lassen. Allerdings, so sagen einige von Coops Lieferanten nun, habe Coop als Alternative zu Markant lediglich eine noch teurere Abrechnungsmöglichkeit angeboten. Diese Zuspitzung der Situation hat zur Verfahrenseröffnung gegen Coop durch die WEKO geführt, gemäss derer Vizedirektorin Andrea Graber Cardinaux nun geprüft werde, ob die genossenschaftlich organisierte Coop durch ihr Verhalten eine allfällige marktbeherrschende Stellung missbrauche.


Markant - im wahrsten Sinne des Wortes

Pikant: Die Markant Handels- und Industriewaren-Vermittlungs AG mit Sitz in Pfäffikon, Schwyz, war vergangenen Herbst schon einmal in die Schlagzeilen geraten. Die Wettbewerbskommission hatte eine Untersuchung gegen mehrere Gross- und Einzelhandelsunternehmen und MARKANT eröffnet. Im Fokus des offenbar noch andauernden Verfahrens stehen mutmasslich wettbewerbsbeschränkende Massnahmen gegenüber verschiedenen Lieferanten von Gütern des täglichen Bedarfs. MARKANT und mehrere ihr angeschlossene Gross- und Einzelhändler (sog. Anschlusshäuser) vereinbarten - so die WEKO in ihrer Medienmitteilung vom 3. September 2020 - mutmasslich gemeinsam Massnahmen, um die Lieferanten der Anschlusshäuser dazu anzuhalten, das Inkasso über MARKANT abzuwickeln. Die vermuteten koordinierten Massnahmen umfassen insbesondere die Androhung von kollektiven Auslistungen von Gütern des täglichen Bedarfs.[4] Neben Markant sollen - wie Medien berichteten - Amedis-UE AG, Cadar SA, Cruspi SA, Demaurex & Cie SA, Galexis AG, GDI - Groupement de dépositaires Indépendants SA, Landi Schweiz AG, Loeb AG, Manor AG, Müller Handels AG Schweiz, Pistor AG, Saviva AG, Spar Holding AG, Valora Schweiz AG, Voigt AG, Volg Konsumwaren AG von der WEKO-Untersuchung betroffen sein. Wie für Coop im aktuellen Fall auch gilt für diese Händler die Unschuldsvermutung. So recht an die Unschuld der beteiligten Unternehmen glauben, will aber niemand wirklich. Denn, der Preisdruck, der vom Detailhandel - und nur vom Detailhandel - ausgeht, ist allgegenwärtig.


Corporate Responsibility - bei Coop vor allem eine leere Worthülse

Nachhaltigste Detailhändlerin der Welt? Es scheint, als leide Coop an Wahrnehmungsverzerrung (Screenshot Google-Suche)
Nachhaltigste Detailhändlerin der Welt? Es scheint, als leide Coop an Wahrnehmungsverzerrung (Screenshot Google-Suche)

Zurück zu Coop: Hätte man dieses markant-maliziöse Spiel von Coop, die sich selbst - gleich wie ihre ärgste Antagonistin, die Migros - gerne als nachhaltigste Detailhändlerin der Welt bezeichnet und gar einen eigenen Newsletter zu Themen der Nachhaltigkeit unterhält, erwarten dürfen? Ja! Die Praxis des Umhängens eines grünen Mäntelchens über eine ganz und gar nicht weisse Weste ist nicht nur global agierenden Konzernen geläufig, sondern wird auch von Genossenschaften, die vorgeben, durch und durch schweizerische Werte zu vertreten, bestens beherrscht.





Tat Nr. 381 - Wir verzichten auf den Ausdruck der Kassenzettel

- Coop-Webseite "Taten statt Worte"





Was kommuniziert wird, entspricht hin und wieder genau dem Gegenteil von dem, was gemacht wird. Zumindest was die wirklich wesentlichen Themen angeht. So ist es offensichtlich auch bei der Coop Genossenschaft. Im Jahr 2019 soll sie gemäss dem Schweizer Werbe-Auftraggeberverband mit einem Werbeauftragsvolumen von knapp 280 Millionen Franken die grösste Werbeauftraggeberin der Schweiz gewesen sein.[5] Wie viel davon in die Bewerbung der angeblichen Nachhaltigkeit geflossen sind, ist nicht ersichtlich. Klar ist allerdings, dass Coop in der Schweiz als Nachhaltigkeits- und Bio-Pionierin gilt und - wiederum gemäss eigenen Angaben - auf jede Frage eine nachhaltige Antwort hat.[6] In ihrem Taten-statt-Worte-Katalog, der - Stand 02.02.2021 - 393 sogenannte "Taten" enthält, gibt Coop unter Tat Nr. 381 beispielsweise den Verzicht auf den Ausdruck des Kassenzettels an Self-Checkout-Zahlstationen an.[7] 65 Tonnen Papier könne man dadurch in einem Jahr einsparen. Was für den schnell geblendeten Leser erst mal unglaublich toll klingt, stellt für den stets sorgfältig abwägenden Beobachter nichts anderes als ein Grünwaschen dar. Selbstverständlich spart der nicht ausgedruckte Kassenzettel Papier. Aber was noch viel wichtiger sein dürfte, ist die Tatsache, dass diese unter der Flagge der Nachhaltigkeit vollführte Tat vor allem einmal Geld spart, was in keinerlei Weise dem Kunden, sondern in erster Linie Coop selbst zugutekommt. Aber Coop hat selbstverständlich auch das Feld der soliden Nachhaltigkeitsthemen bearbeitet. Bei Joghurt und Cerealien beispielsweise spart Coop den Zuckergehalt ein [8] oder verwendet für Reis der Eigenmarken einen speziell für Lebensmittel entwickelten Recyclingkarton [9]. Auch wichtig: Fairtrade beim Handeln von Weihnachtssternen. Damit ist übrigens das rotblütige Wolfsmilchgewächs gemeint. Eine in meinen Augen wesentliche gute Tat fehlt aber im grossen Nachhaltigkeitskatalog von Coop: Die faire Bezahlung der Lieferanten. Darüber verliert die mächtige Detailhändlerin praktisch kein Wort. Wobei "fair" im Zusammenhang mit Einkaufspreisen gemäss Schweizerischer Lauterkeitskommission das Folgende bedeutet: «Nach dem Verständnis der Durchschnittsadressaten entsprechen "faire" Einkaufspreise nicht dem marktüblichen Preis, sondern liegen höher.»[10] Nachhaltigkeit, das hat für Coop offensichtlich in erster Linie mit Kostenoptimierung, die sich zu den eigenen Vorteilen entwickeln, zu tun, nicht aber mit der Verantwortlichkeit ihren Lieferanten gegenüber. Wie sonst kann man erklären, dass Coop prominentes Mitglied der gigantischen länderübergreifenden Einkaufsgemeinschaft AgeCore ist [11], deren Ziel es ist, international tätige Hersteller und Händler - vor allem im Lebensmittelbereich - mit höchstmöglichem Druck und der Zuhilfenahme von Schikane zu tiefstmöglichen Preisen zu bewegen? So hat Coop im Frühjahr 2018 im Rahmen von AgeCores Verhandlungen mit dem multinationalen Lebensmittelgiganten Nestlé 200 Produkte kurzfristig aus dem Sortiment genommen, um dem grössten Nahrungsmittelkonzern der Welt bessere Konditionen abringen zu können. In den Medien war wochenlang vom Nestlé-Boykott zu lesen. Schlussendlich mit dem besseren Ende für Coop respektive AgeCore und deren Bündnismitglieder. Nestlé musste zum Aderlass.


Gut ein Jahr später knüpfte sich AgeCore mit Mars Inc. den nächsten Lebensmittelriesen vor. Im Zuge dieser ebenfalls hart geführten Verhandlungen listete Coop von Reis über Schokoriegel und Kaugummis bis hin zu Hunde- und Katzenfutter viele Produkte aus dem Portfolio von Mars aus [12] - wie übrigens schon anderthalb Jahre zuvor [13].


Von Fairness gegenüber ihren Lieferanten ist bei Coop unter der Führung von Joos Sutter und seinem Stellvertreter, Philipp Wyss, der, so sagt man hinter vorgehaltener Hand, der Treiber dieses destruktiven Gebarens sei, nicht viel zu spüren. Bei Coop ist in erster Linie alles auf den eigenen finanziellen Vorteil ausgerichtet. Coop versteht es dabei aber hervorragend, das Blaue vom Himmel zu versprechen und im nächsten Augenblick eine heftige Gewitterwolke vorbeizuschicken, die ihren Lieferanten innert Kürze das Wasser bis zum Hals stehen lässt. Dabei spielt es nicht mal eine Rolle, ob Coop gegen kleine Lieferanten oder multinationale Kolosse vorgeht - sie alle müssen die Mehrkosten der durch Coop unsolidarisch getroffenen Entscheidungen irgendwie kompensieren. Mit Personalabbau, Lohnkürzungen, das Weitergeben des Preisdrucks an Rohstofflieferanten oder durch das Einsparen von Qualität per se. Glauben Sie nicht, dass manches Unternehmen bessere Erzeugnisse anbieten würde, wären die Kosten, die in diesem Zusammenhang entstünden, gedeckt?

Screenshot Jahresbericht 2019 SWA-ASA - Coop mit grössten Werbeausgaben in der Schweiz
Coop mit grössten Werbeausgaben in der Schweiz (Screenshot Jahresbericht 2019 SWA-ASA )

Wieder zurück zu Coop: Manch einer mag sich fragen, wo die unternehmerische Verantwortung des genossenschaftlich organisierten Detailhandelsriesen bleibt? Die Corporate Responsibility, wie man den Grad des Verantwortungsbewusstseins eines Unternehmens neudeutsch nennt, scheint, bei Coop nämlich auf der Strecke zu bleiben. Irgendwo zwischen Bern-Bundesplatz und Basel-Thiersteinerallee. Die unternehmerische Verantwortung ist Strategiesache und fällt somit in den Aufgabenbereich des obersten Aufsichtsgremiums. Im Falle von Coop ist das der neunköpfige Verwaltungsrat, dem übrigens fünf Frauen angehören.[14]


Ex Magistratus Doris Leuthard und ihre Mitstreiterinnen

Die Welt kräht nach sozialer Gleichstellung von Mann und Frau oder besser von Frau und Mann. In der Schweiz beispielsweise wurden faktisch Frauenquoten für börsenkotierte Unternehmen einer gewissen Grösse rechtlich verabschiedet. So beschloss das Parlament am 19. Juni 2020 das neue Obligationenrecht Nr. 220, das unter Artikel 734f besagt, dass sofern nicht jedes Geschlecht mindestens zu 30 Prozent im Verwaltungsrat und zu 20 Prozent in der Geschäftsleitung vertreten ist, im Vergütungsbericht bei Gesellschaften, welche die Schwellenwerte gemäss Artikel 727 Absatz 1 Ziffer 2 überschreiten, 1. die Gründe, weshalb die Geschlechter nicht wie vorgesehen vertreten sind; und 2. die Massnahmen zur Förderung des weniger stark vertretenen Geschlechts, anzugeben sind.[15]





«Nach nur gerade 87 Tagen die Ehre verloren»




Von der Frauenquote resp. von den Frauen selbst, die seit diesem Gesetzesumbau in die obersten Leitungsgremien grosser Schweizer Unternehmen strömen, verspricht man sich - wobei mit "man" die weltoffene und äusserst umsichtige Gesellschaft gemeint ist -, dass das Wirtschaften nachhaltiger, umweltfreundlicher, sozialverträglicher und entsprechend langlebiger wird. Coop, selber kein börsenkotiertes Grossunternehmen, aber für den Schweizer Wirtschaftsplatz allemal systemrelevant, hat demnach alles richtig gemacht. Fünf Frauen sollen im obersten Verwaltungsgremium mithelfen, den Detailhandelskoloss nachhaltig auszurichten. Der Konjunktiv wurde nicht zufällig gewählt. Denn, bislang verläuft irgendwie nichts in Sachen ernsthafter Nachhaltigkeit bei Coop. Trotz oder wegen den Frauen? Ich weiss es nicht. Nur das, dass die heimliche Kapitänin Doris Leuthard sein soll, deren Nomination in den Verwaltungsrat von Coop vom 26. Februar 2019 für grosses mediales Aufsehen und bisweilen auch für Unverständnis gesorgt hatte. Die Frage scheint berechtigt: Wie kann eine ehemalige Magistratin, die über elf Jahre in der Landesregierung gesessen hat, nur gerade 87 Tage nach dem Rücktritt aus dieser, bei einem der grössten privatwirtschaftlichen Unternehmen der Schweiz anheuern? Nach nur 87 Tagen alle Ehre verloren haben? Mit etwas zeitlichem Abstand zu den damaligen Geschehnissen und mit Blick auf die aktuelle Entwicklung rund um Coop kann das mit der folgenden Formel beantwortet werden: Was war, muss einem egal sein, und was sein wird, erst recht. Der Eid oder das Gelübde, welchen oder welches Doris Leuthard bei Amtsantritt und nach jeder Erneuerungswahl hatte ablegen müssen, galt explizit für die Ausführung und die Dauer des Amtes. Es scheint nun aber so, dass Doris Leuthard die Parolen "Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen" resp. "Ich gelobe, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes zu erfüllen" spätestens beim Antritt ihres Verwaltungsratsmandates bei Coop aus ihrer eigenen Erinnerung verdrängt hat. Wie sonst kann es sein, dass Coop ein Marktverhalten an den Tag legt, das insgesamt alles andere als nachhaltig ist? Wie kann die mal als "Doris National" genannte Leuthard über dieser Sache stehen?


Mein Freund, dessen Namen ich hier nicht nennen darf, weil er ja noch lebt, bezeichnete Coops niederträchtiges Verhalten in Anlehnung an das Wort Schweinerei als "schweinische Cooperei" und schlug vor, das Substantiv "Cooperei" gleich im Duden eintragen zu lassen.


Würde das Bibliographische Institut, das den Dudenverlag führt, das mehr als Scherz gemeinte Gesuch gutheissen, so würde der jüngste Eintrag im Duden in etwa so daherkommen:

Bildmontage: So könnte der Duden die Cooperei beschreiben
Bildmontage: So könnte der Duden die Cooperei beschreiben

Als Leser dieses Blogs fragen Sie sich nicht, was das hier Geschriebene mit Olivenöl zu tun hat. Ich weiss, dass Sie die Zusammenhänge nur zu gut verstehen.


In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen guten Einkauf - wo auch immer Sie diesen tätigen werden.


Ihr Master of Olive Oil



 

Quellenangaben

[10] https://www.faire-werbung.ch/wordpress/wp-content/uploads/2019/11/LK1110919.pdf Entscheid Nr. 172/19 (Green Marketing - Werben mit Nachhaltigkeit)

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