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Filippo Berio: Coop täuscht Konsumenten erneut über die Herkunft von Filippo Berio Il Classico



Vom Kampagnennamen "Bella Italia" hat sich Coop verabschiedet. In diesem Sommer ist "Italianità" das Lockwort für Abertausende Zuhausegebliebene. Das azurblaue Thyrrhenische Meer, die sanften toskanischen Hügel, die reizvollen weissen Trulli Apuliens, Agrigentos atemberaubender Tempio della Concordia - Italien blieb dieses Jahr aus bekannten Gründen für viele Hierlebende unerreicht. Für Coop quasi ein unverschämter GlücksfalI. Denn, jeweils im Sommer holt Coop Italien - zumindest aus kulinarischer Perspektive - anlässlich ihrer italienischen Aktionswochen in die Schweiz. Coops Partnermarken Barilla, Birra Moretti, Galbani, Buitoni, San Pellegrino, Lavazza und wie sie alle noch heissen, sollen uns das Gefühl italienischer Atmosphäre oder eben die pure "Italianità" vermitteln.


Trittbrettfahrer spanisches Olivenöl

Vom Italien-Hype soll aus Sicht Coops natürlich auch die Olivenölkategorie profitieren. Idealerweise wählt man dazu ein Produkt, bei welchem einem eine hohe Marge gewiss ist. So bewarb Coop während ihren italienischen Aktionswochen auch das Olivenöl Filippo Berio Il Classico als "italienisch". Wieder einmal mehr. Zwar sah das Regallayout in jedem der Coop-Läden, die ich während dieser Aktionszeit besucht hatte, etwas anders aus. Unmissverständlich war aber die Werbebotschaft, die dem Durchschnittsadressaten vermittelt wurde: Filippo Berio Il Classico ist ein italienisches Olivenöl. Sehen Sie selbst:



Nicht italienisches Olivenöl, und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem Produkt um eine italienische Marke oder einen italienischen Betrieb handelt, der das Olivenöl abfüllt, darf nicht als italienisch beworben werden. Die Oliven, die für das Filippo Berio Il Classico Oilvenöl verwendet werden - das bedeutet die Erklärung auf dem Rücketikett des Produkts - werden in EU-Olivenanbauländern gepflückt und auch dort zu Öl verarbeitet.


Selbstverständlich bedeutet "Mischung von Oilvenölen aus der Europäischen Union", dass diese Mischung durchaus auch italienisches Olivenöl beinhalten kann. Allerdings ist das aus wirtschaftlichen Überlegungen selten der Fall. Zudem ist mir aus gut unterrichteter Quelle bekannt, zu welchen Preisen Coop das Produkt Filippo Berio einkauft. Demnach muss der mit Abstand grösste Anteil der Mischung spanisches Olivenöl ausmachen. Dieses wurde in diesem Frühjahr nämlich für gerade mal knapp zwei Euro pro kg gehandelt. Ein Spottpreis. Der Verkaufspreis von Coops Filippo Berio Il Classico liegt bei CHF 13.95.


Die fertig produzierten Olivenöle gelangen meist auf dem Seeweg an die Küste Livornos, wo sie entladen und dann mit Tanklastzügen zu den Abfüllbetrieben geführt werden. Die livornesische Firma Kortimed mit wichtiger Zweigstelle in der grössten Olivenanbauzone Andalusien betreibt eine Flotte von rund 1'700 Zisternen und führt darin hautpsächlich Olivenöl von Kooperativen in den wichtigsten Anbaugebiete des Mittelmeerbeckens an grosse Abfüllbetriebe in Italien.

Kortimed-Tankauflieger mit Olivenöl im Hafen von Livorno (Bild: Screenshot SWR Marktcheck youtube)
Kortimed-Tankauflieger mit Olivenöl im Hafen von Livorno (Bild: Screenshot SWR Marktcheck youtube)

Die verschiedenen Öle, welche für Filippo Berios Il Classico verwendet werden, dürften also höchstwahrscheinlich ebenfalls über den Seeweg den Hafen von Livorno passieren, bevor sie in Massarosa unweit von Viareggio bei Salov nach Säuberungsprozessen zum finalen Blend vermischt werden. Salov produziert das Filippo Berio Olivenöl also nicht, sondern mischt lediglich verschiedene Olivenöle zusammen, füllt diese in Flaschen ab und klebt ein hübsches, italienisch anmutendes Etikett drauf. Fertig ist Coops Bestseller unter den Olivenölen.



Dass man dieses Produkt nicht als italienisch bewerben darf, versteht sich eigentlich von selbst. Nur Coop will es nicht wahrhaben, selbst nach medialer Aufmerksamkeit, die dieser Fall im Sommer 2019 erregte, zeigen sich die stolzen Basler nicht bereit, an ihrer unrühmlichen Vermarktungspraxis etwas Grundlegendes zu ändern. Woran kann das liegen? Immerhin wurde sogar der Basler Kantonschemiker, Dr. Philipp Hübner, letztes Jahr auf den Fall angesetzt. Hat er sich an Coop die Zähne ausgebissen? Oder hat er gar nicht erst versucht, Coop in dieser Angelegenheit zu tadeln? Etwa weil Coop ein mächtiger Konzern mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen ist? Ich weiss es nicht. Immerhin ist die gesetzliche Lage klar.



 

Was das Gesetz sagt



Art. 18 Täuschungsschutz 1 Sämtliche Angaben über Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und kosmetische Mittel müssen den Tatsachen entsprechen.

2 Die Aufmachung, Kennzeichnung und Verpackung der Produkte nach Absatz 1 und die Werbung für sie dürfen die Konsumentinnen und Konsumenten nicht täuschen. Die Bestimmungen des Markenschutzgesetzes vom 28. August 19921 über Angaben zur schweizerischen Herkunft bleiben vorbehalten.

3 Täuschend sind namentlich Aufmachungen, Kennzeichnungen, Verpackungen und Werbungen, die geeignet sind, bei den Konsumentinnen und Konsumenten falsche Vorstellungen über Herstellung, Zusammensetzung, Beschaffenheit, Produktionsart, Haltbarkeit, Produktionsland, Herkunft der Rohstoffe oder Bestandteile, besondere Wirkungen oder besonderen Wert des Produkts zu wecken.


4 Der Bundesrat kann zur Gewährleistung des Täuschungsschutzes:

a. Lebensmittel umschreiben und deren Bezeichnung festlegen;

b. Anforderungen an Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und kosmetische Mittel festlegen;

c. Kennzeichnungsvorschriften erlassen für Bereiche, in denen Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund der Ware oder der Art des Handels besonders leicht getäuscht werden können;

d. die Gute Herstellungspraxis (GHP) für Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und kosmetische Mittel umschreiben.


5 Er kann zur Umsetzung internationaler Verpflichtungen weitere Gebrauchsgegenstände den Vorschriften dieses Artikels unterwerfen.





Als Werbung definiert die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung 817.02 (LGV): Produktinformationen zu Werbe-zwecken, Reklamen jeder Art sowie die Direktwerbung. Zum Täuschungsverbot liest man in dieser Verordnung das Folgende:


1 Für Lebensmittel verwendete Bezeichnungen, Angaben, Abbildungen, Umhüllungen, Verpackungen, Umhüllungs- und Verpackungsaufschriften, die Arten der Aufmachung, die Werbung und die Informationen über Lebensmittel müssen den Tatsachen entsprechen und dürfen nicht zur Täuschung namentlich über Natur, Herkunft, Herstellung, Produktionsart, Zusammensetzung, Inhalt und Haltbarkeit der betreffenden Lebensmittel Anlass geben.

1bis In Abweichung von Absatz 1 dürfen Angaben auf Lebensmitteln von den Tatsachen abweichen, wenn: a. die abweichende Angabe belegbar auf Versorgungsengpässe infolge der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist;

b. die abweichende Angabe für den Schutz der Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten, insbesondere in Bezug auf Zutaten, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, nicht relevant ist; und

c. das Lebensmittel mit einem für die Konsumentinnen und Konsumenten leicht erkennbaren roten, runden Kleber versehen ist, worauf der Hinweis steht «Korrekte Deklaration unter: ...», gefolgt von einer Internetadresse, unter welcher leicht auffindbar darüber informiert wird, welche Angabe auf dem Lebensmittel von den Tatsachen abweicht und warum.

11ter Lebensmittel mit von den Tatsachen abweichenden Angaben, auf denen ein Kleber aus technischen Gründen nicht haften bleibt, müssen so angeboten werden, dass die korrekten Angaben und der Grund für die von den Tatsachen abweichenden Angaben auf einem Plakat am Verkaufsregal gut sichtbar sind.

2 Verboten sind insbesondere: a. Angaben über Wirkungen oder Eigenschaften eines Lebensmittels, die dieses nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht besitzt oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind;

b. Angaben, mit denen zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften aufweisen; erlaubt sind Hinweise auf:

  1. die für eine Lebensmittelgruppe geltenden Vorschriften, namentlich betreffend umweltgerechte Produktion, artgerechte Tierhaltung oder Sicherheit der Lebensmittel,

  2. Eigenschaften, welche die einer bestimmten Lebensmittelgruppe zugehörenden Produkte aufweisen;

c. Hinweise, die einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder die den Eindruck entstehen lassen, dass solche Eigenschaften vorhanden sind; erlaubt sind:

  1. Hinweise auf die Wirkung von Zusätzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung zu Lebensmitteln (Art. 25) zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung,

  2. nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (Art. 38);

d. Aufmachungen irgendwelcher Art, die einem Lebensmittel den Anschein eines Heilmittels geben;

e. Angaben oder Aufmachungen, die darauf schliessen lassen, dass ein Lebensmittel einen Wert hat, der über seiner tatsächlichen Beschaffenheit liegt;

f. Angaben oder Aufmachungen irgendwelcher Art, die zu Verwechslungen mit Bezeichnungen führen können, die nach der GUB/GGA-Verordnung vom 28. Mai 1997, der GUB/GGA-Verordnung vom 2. September 2015 für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse, nach einer analogen kantonalen Gesetzgebung oder nach einem die Schweiz bindenden völkerrechtlichen Vertrag geschützt sind;

g. Hinweise, die geeignet sind, bei den Konsumentinnen und Konsumenten falsche Vorstellungen über die Herkunft eines Lebensmittels im Sinne des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 zu wecken;

h. bei alkoholischen Getränken: Angaben, die sich in irgendeiner Weise auf die Gesundheit beziehen; vorbehalten sind die vom EDI festgelegten Bezeichnungen traditioneller alkoholischer Getränke;

i. bei bewilligungspflichtigen Produkten: Hinweise mit Werbecharakter auf die durch das BLV erteilte Bewilligung. 


3 Das EDI regelt: a. die Grenzen zulässiger Werbung;

b. die zulässigen nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben.


4 Es kann Anforderungen an die Aufmachung sowie an die Umhüllung und Verpackung festlegen.

 

Coops Werbetrick funktioniert

Ich konnte mich von der Effektivität des Werbetricks überzeugen. Als ich im Pilatusmarkt in Kriens das bunte Treiben beobachtete, fiel mir auf, dass gleich drei Ehepaare auf die "Italien-Werbung" aufmerksam wurden. «Schatz, italienisches Olivenöl ist Aktion», sagte eine adrett gekleidete ältere Dame zu ihrem ihr mit dem noch spärlich gefüllten Einkaufswagen folgenden Ehemann. Einige Sekunden später lag die Filippo Berio Flasche bereits bei den anderen Errungenschaften im Einkaufswagen.


Was soll man dazu sagen?




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